Würzburger Theatermenschen: Margret Grammerstorff

von Werner Häußner

23 Jahre spielte sich "Grammy" in Würzburg durch Boulevard und Tragödie.Das Interview war schon vereinbart, die geistig wache alte Dame freute sich riesig. Doch als es dann so weit sein sollte, lag sie im Sterben. Am 12. Mai hat Margret Grammerstorff, Ehrenmitglied des Mainfrankentheaters und jahrelang große alte Dame des Ensembles, im gesegneten Alter von 95 Jahren die Weltbühne für immer verlassen.

Mit sechs stand sie zum ersten Mal auf der Bühne. Das war 1916 in Lübeck. Mit achtzig hat sie sich vom Theater verabschiedet. Das war in Würzburg, im Jahr der Wiedervereinigung. 23 Jahre lang hat Grammerstorff am Mainfrankentheater gespielt. Sie kam 1966 aus Krefeld an den Main. "Hier bleib’ ich, hier geh’ ich nicht mehr weg", sei ihr erster Gedanke gewesen, als sie die Stadt gesehen hat, erzählt ihr Sohn, Axel von Loewis. Die Stadt hat sie nicht mehr losgelassen, selbst wenn anderswo künstlerische Herausforderungen, höhere Gage und vollmundigerer Presse-Ruhm gelockt hätten. Aber die "Grammy", wie sie liebevoll genannt wurde, hatte die große Theaterwelt schon gesehen, ihre Höhen und Tiefen mitgemacht: An 22 Häusern war sie in ihrem langen Bühnenleben engagiert.

Eine universale Begabung

Zurückgeblättert in den Annalen der Bühnenkunst: Im Spielzeitprogramm des Theaters Dortmund schaut uns 1936 ein blondes Mädel mit modischer Wellenfrisur an: Gretel Grammerstorff. Als Erste Operettensoubrette war sie engagiert. Gretel sang in der Uraufführung von Eduard Künnekes "Zauberin Lola", sie tanzte durch die "Fledermaus" und den "Zarewitsch" und feierte den "Carneval von Rom". Da hatte die 26-jährige schon acht Jahre Bühnenerfahrung hinter sich, die sie als Statistin am heimatlichen Lübecker Stadttheater und dann als Tanzelevin in Schwerin gewonnen hatte.

Eine universale Begabung. Ein "Theaterpferd" sei sie gewesen, erinnert sich der Schauspieler Ingo Klünder. Die Soubrette zog nach Osten, floh 1945 aus Lodz, damals Litzmannstadt genannt, zu den Großeltern nach Lübeck. Nach dem Krieg versuchte sie sich in Hamburg durchzuschlagen, mit kleinen Rollen, mit Film und später Fernsehen. Mit Johannes Heesters hat sie gedreht und erinnerte sich, dass er ihr das Leben gerettet hat, als sie bei einem Dreh von der Gangway eines Flugzeugs zu stürzen drohte. In Bielefeld und Krefeld-Mönchengladbach hat sie gespielt und stand dort mit dem jungen Tebbe Harms Kleen auf der Bühne. In Würzburg stellte sie sich als Herzogin von Friedland in Schillers "Wallenstein" vor, spielte sich durch Boulevard und Tragödie. Zu ihren großen Auftritten gehörte die Titelrolle in Dürrenmatts "Besuch der alten Dame" (1970) und die Maria Josefa in García Lorcas "Bernarda Albas Haus" (1986) Als sie in die Kategorie der alten Mütter hineingewachsen war, spielte Grammerstorff leidenschaftlich gerne Joseph Kesselrings "Arsen und Spitzenhäubchen". 1985 schied sie aus dem Würzburger Ensemble aus, wurde aber bis 1989 immer wieder ans Haus geholt. Danach hat die bürgerlichbescheidene Frau mit dem hanseatisch klaren Geist das Theater nicht mehr betreten. Heiter und gelassen ließ sie hinter sich, was ihr ganzes Leben erfüllt hatte.

Bildnachweis: privat

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